Zu empfehlen auch, zur Einführung in die Problematiken verschiedener Gesundheitssysteme finde ich, trotz der gewohnten Polemik, Michael Moore's "Sicko"
Es ist mithin nicht einfach der US-amerikanischen Diskussion ohne ein erstauntes Kichern zu folgen, wenn da mit Begriffen wie "socialized medicine" hantiert, und über den Bürokraten gewettert wird, der sich in diesem System zwischen den Kranken und den Arzt stellt um zu entscheiden welche Behandlung angebracht ist. Über Wartezeiten und Warteschlangen wird da schwadroniert, über schlechte Versorgungsqualität und die Angst davor den je eigenen "Reichtum" mit all den Hungerleidern der Gesellschaft teilen zu müssen wird gewettert. Und natürlich wird ungebrochen - und ich frage mich langsam, ob sich da je überhaupt eine Einsicht einstellen wird - die positive, heilsame, selbstregulierende und alle Beteiligte nur so mit Vorteilen bedenkende Kraft des Wettbewerbes in der kapitalistischen Gesellschaft beschworen.
So viel zu den US of A. Doch wie Ottmar Leidner in der Ausgabe 28/29 -2009 des Deutschen Ärzteblattes analysiert ist auch in Deutschland
"[d]ie Frage, ob Wettbewerb in der Heilkunde überhaupt Sinn macht, obsolet geworden. Wettbewerb im Gesundheitswesen ist politisch gewollt, wird gefördert und ist in weiten Bereichen längst Realität. Die Frage muss stattdessen lauten: Wie kann man die schädlichen Nebenwirkungen von Privatisierung und Wettbewerb begrenzen?"Direkt im Anschluss entwickelt Herr Leidner in einem Abschnitt (es folgen ungleich viel mehr Abschnitte über die negativen Auswirkungen) die positiven Aspekte dieser Entwicklung:
Dabei sollen die positiven Effekte des Wettbewerbs auf die Krankenhausversorgung nicht kleingeredet werden: Das Angebot hat sich verbessert, die Wartezeiten sind kürzer, der Ton gegenüber den Patienten ist freundlicher geworden. Zudem wurden Arbeitsabläufe patientenfreundlicher organisiert und beschleunigt –manche einfache und pfiffige Lösung ist erst unter Einspardruck entstanden. Auch der gestiegene Druck auf die Aktualisierung von Wissen und Technik ist nützlich.
Diese Konditionierung allerdings, die schon in der Schule mit der unsäglichen Konzentration auf die Klausurrelevanz verschiedener Themen als Attribut für die Wichtigkeit beginnt hinterlässt Menschen, die gar kein Interesse mehr an ihrer Tätigkeit haben, sondern nur noch die Arbeit ableisten, die als conditio sine qua non des eigentlichen Lebens, der Freizeit erscheint.
Gerade im medizinischen Sektor ergibt sich hier ein besonderer Konflikt, denn der Kern des Arztberufes ist meiner Ansicht nach ein Wille zu Heilen, also ein sehr idealistisches Ziel. Ein Ziel was über ökonomische Interessen hinaus zunächst eine Solidarität mit dem Mitmenschen bedeutet. Herr Leidner formuliert:
Sind Ärzte aus Treue zu ihren Arbeitgebern verpflichtet, kostenbewusst zu arbeiten, indem sie für eine Fallpauschale möglichst wenig Ressourcen einsetzen (wenig Zeit, wenig Geld), damit das Betriebsergebnis möglichst hoch ausfällt? Oder sind sie aus Pflichtbewusstsein ihren Patienten gegenüber zu Wirtschaftlichkeit in einem anderen Sinn verpflichtet, nämlich für die Fallpauschale eine möglichst optimale Leistung zu erbringen, damit möglichst viel von dem Geld auch beim Patienten ankommt?
40 bis 50 Prozent der approbierten Ärztinnen und Ärzte landen heutzutage nicht mehr in der Klinik oder Praxis.
Zum Abschluss ein kurzes Zitat aus den Thesen und Prinzipen des Sozialistischen Patientenkollektivs (SPK):
1) Krankheit ist Voraussetzung und Resultat der kapitalistischen Produktionsverhältnisse.
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